Baby. Light my fire. (Ein Plädoyer für den K#*$§& … elektronische Lesegeräte)

Neulich unterhielt ich mich mit einer Bekannten, die ich noch vom Studium her kenne. Sie hat drei Kinder, ich eines,  und es ging darum, dass man ja kaum noch zum Lesen kommt. Beziehungsweise war ihre Aussage, dass sie gar nicht mehr liest, seit einiger Zeit.

„Ging mir auch so“, entgegnete ich, „bis ich meinen Kindle bekommen hab. Seither les ich wieder. Auf dem Sofa, im Bett, im Halbdunkel, im Dunkeln. Nur in der Badewanne, das trau ich mich nicht.“ Aber zum Baden wiederum kommt man ja als Mutter auch eher selten bis nie.

Als sie mir antwortete, glich sie einem feuerspeienden Drachen. „Ich werd mir grad noch einen Kindle anschaffen und DIESEM KONZERN das Geld in den Rachen schmeißen.“ Hm, ja, mein Fehler. „Ein elektronisches Lesegerät dann eben“ lenkte ich ein. Ganz schön naiv.

„Steffi.“ so die Freundin, „ich LIEBE Bücher. Ich liebe es, das bedruckte Papier anzufassen, die Druckerschwärze zu riechen, den Umschlag anzuschauen, ein Buch in der Hand zu halten.“

Ja. Ich LIEBE Bücher auch. Und deshalb LESE ich sie. Diesen Widerwillen gegenüber elektronischen Lesegeräten (egal welches Fabrikat) kann ich inzwischen (nach ersten und schnell überwundenen Berührungsängsten) nicht mehr nachvollziehen. Zu viele Vorteile drängen sich auf. Ich kann, wie schon erwähnt, überall lesen, egal wie die Lichtverhältnisse sind. Ich kann mir 200 Bücher auf Vorrat auf mein Gerät laden und bin NIE WIEDER ohne Lesestoff. (Und ich kann diese 200 Bücher in den Urlaub mitnehmen, ohne dafür einen extra Laster anzumieten.) Wenn mir sonntagnachmittags einfällt, dass ich jetzt UNBEDINGT das neue Buch von Lisa Jewell lesen muss, habe ich es innerhalb einer Minute vor mir. Und ich kann so viele Bücher lesen, wie ich will, ohne dass das heimische Bücherregal überquillt. Einziger Nachteil: Ich kann sie nicht mehr verleihen. Aber – und da bin ich komisch – das hab ich eh nicht so gerne gemacht. Viel zu oft habe ich einmal ausgeliehene Bücher nie mehr wieder gesehen.

Und was das Umblättern der Seiten und den Duft der Bücher anbelangt – ja. Ist ja alles schön und gut. Aber nach den ersten paar Seiten bin ich in einer Geschichte so drin, dass es mir völlig WURSCHT ist, auf welchem Medium ich sie lese. Und der Geschichte ist es glaub ich auch völlig egal. Hauptsache sie wird gelesen! Was nützt es denn, Bücher zu lieben, wenn man sie aber dann nicht liest?

Es muss ja auch keine Entweder-Oder-Entscheidung sein. Es gibt Bücher, die möchte ich auch in der Taschenausgabe haben. Weil sie in eine Reihe passen. Oder weil die Ausgabe so schön ist. Platz für zwei, drei weitere Bücher hab ich dann schon noch im Regal. Und ich finde es auch schön, ein Regal voller Bücher zu haben. Aber auf meinen K… also auf  mein elektronisches Lesegerät möchte ich nicht mehr verzichten.

Happy Moms

Ich weiß, man soll es nicht. Man soll sich nie, nie, aber auch gar niemals auf Diskussionen im Social Web einlassen. Und schon dreimal gar nie, nie, nie nicht, wenn es dabei um „Mütterthemen“ wie Stillen, Schlafrituale und (um Gottes Willen) das Impfen geht. Diese Diskussionen bringen nichts und arten fast immer in Beschimpfungen und hanebüchenen Argumentationsschlachten aus.

Ich disktutiere auch schon lange nicht mehr mit, aber mitlesen, das kann ich mir manchmal nicht verkneifen (hat so ein bisschen was von gaffen, ich weiß, es ist auch masochistisch, aber manchmal brauch ich das einfach auch). Und so ist mir neulich dieser Kommentar über den Weg gelaufen (es ging in der Diskussion um „Stillen oder nicht“):

Dann kriegt bitte keine kinder!kinder brauchen mütter die sich für sie aufopfern und ihre eigenen bedürfnisse hinten anstellt!wer das nicht kapiert hat mutterschaft nicht verstanden! (sic)

Dem musste ich dann doch widersprechen. Denn das stimmt so einfach nicht. Kein Kind kann eine Mutter wollen, die sich für es aufopfert. Aufopfern, das heißt ja, sich selbst komplett verlieren, nicht mehr an sich selbst denken, nicht mehr für sich selbst sorgen. Und eine Mutter, die sich komplett selber aus den Augen verliert, kann keine gute Mutter sein. Niemals nicht. Selbstredend – und alle, die Mütter sind, wissen das auch, wenn vielleicht auch nicht vorher, haha – bedeutet Eltern sein auch, dass man seine Bedürfnisse hinten anstellen muss (wenn das Baby in der Nacht heult weil es Hunger hat, geht sein Hungerbedürfnis meinem Schlafbedürfnis natürlich vor). Aber grundsätzlich sehe ich nicht, warum ich mein gesamtes Wohlergehen meinem Kind opfern soll. Warum? Was hat das Kind denn davon?

Ich persönlich brauche zum Beispiel Auszeiten. Kinderfreie Zeiten. Ich muss ab und zu mal ich sein, mit Freundinnen was unternehmen, Party machen, mit meinem Mann ausgehen und „erwachsene“ Gespräche führen, Gast auf einer Hochzeit sein und ohne Kind tanzen bis die Fußsohlen rauchen. Ich muss ab und an mal für ein paar Stunden die Verantwortung abgeben und vergessen dürfen, dass ich „Mutter“ bin. Ich habe großartige Schwiegereltern, die es mir (uns) sogar ermöglichten, ein paar Tage nach New York zu reisen. Großartige Tage, die ich für immer in meinem Herzen trage. Die Erinnerung daran lässt mein Herz hüpfen und mein Gesicht strahlen. Ja, ich kann mein Kind tatsächlich abgeben, auch über Nacht, und das sogar genießen. Ob mich das zu einer „Rabenmutter“ macht (dieses Wort gibt es übrigens mit dieser Bedeutung NUR im deutschen Sprachraum)? Wäre ich eine bessere Mutter, wenn ich diese Auszeiten meinem Mutterdasein „opfern“ würde?

Mit Sicherheit nicht. Glückliche Mütter haben glückliche Kinder, das ist mein Leitspruch. Und solange mein Kind während meiner Auszeiten bestens aufgehoben und versorgt ist, solange ich immer noch den überwiegenden Teil meiner Zeit mit meinem Kind verbringe, und solange mein Kind mir abends vor dem Schlafen gehen ins Ohr flüstert „weißt du, wen ich am allerliebsten auf der ganzen Welt habe… DICH!“, solange weiß ich, dass ich meinem Kind mit meinem temporären Egoismus nicht schade. Im Gegenteil. Ich glaube, wer DAS nicht kapiert, der hat Mutterschaft nicht verstanden.

So ne Art Liebe

Ich hatte es ja schon angekündigt: Zu dem Schauspieler und Autor Wentworth Miller (von dem ich diesen Satz „must we label everything?“ geklaut habe) habe ich eine kleine, persönliche Geschichte zu erzählen. Und die muss jetzt raus.

Aaaaaalso. Im vergangenen Jahr kam, nachdem ich monatelang herumgegrübelt und mein gesamtes Umfeld kirre gemacht habe weil ich UN-BE-DINGT dieses amerikanische Netflix haben wollte, Netflix Deutschland zu uns. Ich glaube, wir waren einer der ersten Haushalte, die das – Dank dem besten Mann, ein Serienjunkie wie ich – installiert hatten. Die Auswahl war ja anfangs nicht so üppig aber das war uns völlig schnurz, die Liste der „Will-Ich-Sehen“-Serien wuchs in Sekundenschnelle.

Und da an oberster Stelle: Prison Break. Die Geschichte zweier Brüder, der eine unschuldig im Gefängnis, der andere, Michael Scofield (gespielt von, na? Eben. Wentworth Miller.), Mastermind und sensibles Genie, der sich die Grundrisse des Gefängnisses auf seinen Körper  tätowieren lässt *ächz* und einen Banküberfall begeht, damit er in dasselbe Gefängnis kommt wie sein Bruder und dort den Ausbruch des Jahrhunderts inszeniert. Die Story funktioniert, zumindest während der ersten beiden Staffeln, und das (zumindest für mich) Faszinierende war – ich hab erst nach ein paar Folgen gemerkt, was für ein MEGAJENSEITSSAHNESCHNITTCHEN ich da vor mir habe. Die Figur des Michael Scofield ist ja natürlich schon so angelegt – Supertyp, megaintelligent, super Optik und dabei irre feinfühlig und ein fast Jesus-ähnlicher Menschenfreund – aber wirklich perfekt besetzt mit Mr. Miller. Ein Blick in diese abgrundtief blauen Augen und es ist um einen geschehen. Also um mich. Um mich war es geschehen. Der beste Mann musste viel aushalten. Viele Abende lang saß ich sabbernd vor dem Fernseher. Wenn man mich gelassen hätte, wäre ich an den Bildschirm geklebt. Ganzkörperhaftung. Einmal – und dafür entschuldige ich mich hiermit wirklich in aller Form – habe ich mich zu der Aussage, „dem würd ich glatt den Schweiß vom Rücken abschlecken“ hinreißen lassen. Also in diesem Ausmaß. Mit Anfang 40 fand ich mich mitten in der ärgsten Teenagerschwärmerei, die man sich nur vorstellen kann. Mit Bangen sah ich die Anzahl der noch zu sehenden Folgen dahinschmelzen. Da war es fast ein Glück, dass die letzte Staffel storymäßig … nun naja… nicht mehr sooooo viel hergab. Und dann war es zu Ende mit dem Vergnügen.

Meine wilde Recherche nach mehr Material mit Wentworth Miller kam zu mageren Ergebnissen. Außer in ein paar Actionfilmen, dem relativ aktuell erschienenen Thriller „The Loft“ und in einer wirklich abartig schlechten, kitschigen Dinosaurier-Serie hatte er kaum Auftritte. Google gibt nicht viel her über diesen herausragenden Mann,  er tritt wenig in Erscheinung, lebt sehr zurückgezogen, schreibend. Dann las ich, dass er sich vor 2 Jahren geoutet hat. Moment mal. Mr. Miller ist mein Jahrgang, wieso hat der sich erst jetzt geoutet? Plötzlich eröffnete sich mir ein ganz neuer Blickwinkel. Klar, das ist natürlich so ähnlich wie bei den Boybands. Ein Schauspieler, der aufgrund seines wirklich guten Aussehens wohl eher für die Romeo-Rollen gecastet wird, tut sich keinen Gefallen, wenn er bekannt gibt, dass er schwul ist. Auch im Action-Genre macht sich das wohl nicht so gut. Und dass mir diese Gedanken so selbstverständlich so nahe liegen, gibt mir schon wieder zu denken. In welcher Welt leben wir eigentlich? Warum ist das denn immer noch nicht EGAL, was jemand für eine sexuelle Orientierung hat? Warum ist schwul sein in Hollywood ein Stigma? Und vor allem – wie hart muss es sein, so öffentlich zu leben und so ein „Geheimnis“ in sich zu tragen?

Auf YouTube, so entdeckte ich, ist mehr zu holen über Mr. Miller. Ein paar Interviews während der Glanzzeit von Prisonbreak, ein paar Outtakes, ein paar Szenen vom Set. Ich winde mich innerlich, wenn ich zusehen muss, wie der arme Mr. Miller seine Fassade aufrecht erhält und tapfer Fragen zu seinem Privatleben beantwortet. Immer höflich, immer lächelnd, immer freundlich. Je mehr ich von ihm sehe, desto mehr bin ich von ihm angetan, wenn das überhaupt noch geht. Wie er redet. Wie er gestikuliert, wie er lächelt, wie er sein Gegenüber immer ernst nimmt. Wie schön der spricht, wie artikuliert, wie wohl überlegt. Was für ein feiner, höflicher, wohlerzogener Gentleman.

Und dann DAS (geht lange, ich weiß, aber lohnt sich):

So. Und weil Mr. Miller so ist, wie er ist und ich bin, wie ich bin, schmilzt mein Herz wenn ich das sehe und höre und als es sich wieder erholt, ist er mittendrin. Und ich frage mich schon, was schief läuft in unserer Gesellschaft wenn so ein (ich weiß, ich wiederhole mich) feinfühliger, intelligenter, freundlicher, talentierter Mensch schon in jungen Jahren nicht mehr leben will, weil er sich anders fühlt. Weil er durch dieses Anderssein einsam ist. Und weil er sich nicht vorstellen kann, dass es auf der ganzen weiten Welt jemanden gibt, der ihn akzeptiert. Das treibt mir die Tränen in die Augen.

Jedenfalls. Mr. Miller – ich bin dankbar und froh, dass es dir damals nicht gelungen ist, das Leben zu nehmen. Die Welt braucht Menschen wie dich. Ich hoffe, dass es dir jetzt besser geht.

Und wenn wir uns mal begegnen sollten und es mir gelingt, das Hyperventilieren schnell in den Griff zu bekommen, bevor du weitergehst, dann wünsch ich mir, dass du diesen Satz zu mir sagst: „And later, when this is all over, I’d like to spend some quality time with you.“. Yes, please.